DBSV-Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB III - Modernisierungsgesetz)

Der DBSV nimmt Stellung zu Artikel 1 Nr. 5, 11 und 12 des Entwurfs

Als Spitzenorganisation der Menschen, die von einer Seheinschränkung oder Blindheit betroffen oder wegen einer bestehenden Augenerkrankung von einem Sehverlust bedroht sind, nimmt der DBSV nachfolgend zu Artikel 1 Nr. 5, 11 und 12 des Entwurfs Stellung:

Zu Artikel 1 Nr. 5


Es ist vorgesehen, § 11 SGB III neu zu fassen. Die Bundesagentur für Arbeit soll für die Aufgaben und Zwecke der Arbeitsförderung Verfahren der Informationstechnik nutzen, die dem Stand der Technik entsprechen. Sie soll das Ziel verfolgen,

  1. Verwaltungsangebote nutzerinnen- und nutzerfreundlich weiterzuentwickeln,
  2. ihre für die Erbringung von Leistungen der Arbeitsförderung erforderlichen Verwaltungsabläufe zu digitalisieren und zu automatisieren,
  3. informationstechnische Infrastrukturen zu entwickeln und zu betreiben, die eine zügige Anpassung ihrer informationstechnischen Systeme an gesetzliche Vorgaben sicherstellen, für deren Durchführung sie nach diesem Buch zuständig ist, und
  4. die informationstechnischen Voraussetzungen für die zügige Pilotierung und den Einsatz neuer Technologien für die Leistungserbringung zu schaffen und dabei insbesondere den Datenschutz, die IT-Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Maßnahmen berücksichtigen.


Der DBSV erachtet es für notwendig, dass in der Nr. 4 das Kriterium „Barrierefreiheit“ ergänzt wird. Es ist wichtig, dass bei der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie die Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht und dann auch umgesetzt wird. Das bietet einen Mehrwert sowohl für die Kundinnen und Kunden mit Behinderung der Bundesagentur für Arbeit (BA), als auch für die Beschäftigten mit Behinderungen der BA. Sollte dem entgegengehalten werden, dass sich eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit bereits aus dem Bundes Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ergebe, so ist zu berücksichtigen, dass auch die Bestimmungen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit bereits gesetzlich verbindlich normiert sind und es daher eigentlich keiner besonderen Erwähnung im SGB III bedürfte. Um die Barrierefreiheit an dieser Stelle als gleichsam wichtig zu begreifen und für deren Einhaltung zu sensibilisieren und zu sorgen, erscheint es vielmehr notwendig, in der Nr. 4 nach dem Wort „Sicherheit“ das Wort „Barrierefreiheit“ zu ergänzen.


Zu Artikel 1 Nr. 28 und 29


Künftig sollen in bestimmten Fällen Unterkunftskosten zusätzlich zur Unterbringung in einem Internat übernommen werden können.


Diese Regelung begrüßt der DBSV ausdrücklich. Aus der Beratung beim DBSV sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen eine Ausbildung oder eine Grundausbildung scheitern, weil blinde oder stark sehbehinderte Menschen nicht in der Lage sind, ihre Wohnung wegen einer fehlenden Finanzierung während der Maßnahme aufzugeben.


Der DBSV bittet allerdings darum, in der Gesetzesbegründung ausdrücklich zu regeln, dass die Vorschrift auch für blinde, stark sehbehinderte oder taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen zur Anwendung kommen kann. Für diese Personengruppe gibt es in Deutschland nur wenige spezialisierte Einrichtungen, so dass fast immer eine Unterbringung in einem Internat erforderlich ist, um eine berufliche Rehabilitation oder eine spezialisierte Ausbildung in Anspruch nehmen zu können. Gleichzeitig handelt es sich um eine Personengruppe, die auf ihr vertrautes Wohnumfeld besonders angewiesen ist. Das begründet sich einerseits damit, dass bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung die Orientierung stark eingeschränkt ist. Es müssen mühsam Strategien zum Zurechtfinden innerhalb der eigenen Wohnung und im unmittelbaren Wohnumfeld erworben werden. Gleichzeitig sind diese Menschen stark angewiesen auf feste soziale Bezugspersonen zur Absicherung notwendiger Assistenzleistungen im Alltag.


Vor diesem Hintergrund ist die Beibehaltung des Wohnumfeldes während einer vorübergehenden Internatsunterbringung zu Ausbildungszwecken für den Ausbildungs-/Qualifizierungserfolg und damit für eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsprozess besonders wichtig. Dem sollte in der Gesetzesbegründung Rechnung getragen werden, um für die Praxis Handlungssicherheit zu schaffen.


Weiterer Regelungsbedarf


Der DBSV weist darauf hin, dass vergleichbare Regelungen, wie sie in Artikel 1 Nr. 28 und 29 für das SGB III vorgesehen sind, im SGB IX, Teil 2 ebenfalls erforderlich erscheinen. Auf die folgenden Fallkonstellationen sei insoweit hingewiesen:

  1. Personen, die eine blindentechnische Rehabilitation nach § 113 i. V. m. § 81 Satz 3 SGB IX als soziale Teilhabeleistung absolvieren, benötigen eine Finanzierung ihrer Wohnung am Heimatort. Zum besseren Verständnis: Blindentechnische Grundausbildungen werden nur in wenigen Spezialzentren in Deutschland angeboten. Sie dauern etwa ein Jahr und werden stationär erbracht. Ein vorgelagertes System medizinischer Rehabilitation gibt es in Deutschland bislang nicht. Wenn dann der Träger der Eingliederungshilfe nach einer plötzlichen Erblindung zuständig wird, tritt ein Problem auf. Durch die mit dem BTHG erfolgte Trennung der Fachleistungen von den Hilfen zum Lebensunterhalt wird nur noch die Unterkunft am Ort der Maßnahme geleistet. Die Unterkunftskosten am Heimatort der Betroffenen werden nicht finanziert. Das bringt für die Betroffenen eine besondere Härte mit sich. Sie müssen komplett das bisherige Wohn- und Sozialumfeld aufgeben, wenn sie eine notwendige Rehabilitationsmaßnahme absolvieren wollen, um ihren Alltag wieder möglichst eigenständig gestalten zu können. Für diese Fälle muss eine Härtefallregelung geschaffen werden, um für die Dauer der blindentechnischen Grundausbildung die Wohnung am Herkunftsort erhalten und finanziell tragen zu können. Die Betroffenen jedenfalls kehren in jedem Fall nach erfolgter Maßnahme an ihren Wohnort zurück.
  2. Ähnlich stellt sich die Situation für Betroffene dar, die einen Sehverlust vor oder während einer schulischen oder hochschulischen Bildungsmaßnahme im Sinne des § 112 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX haben und deswegen eine blindentechnische Grundausbildung benötigen. In diesen Fällen sieht sich die BA nicht als zuständiger Träger an, weshalb die Träger der Eingliederungshilfe leisten. Auch in dieser Fallkonstellation ist vorübergehender Bedarf an der Finanzierung zusätzlicher Unterkunftskosten vorhanden und zu decken, um den Erfolg der schulischen oder hochschulischen Ausbildung nicht zu gefährden. Dies könnte auch dadurch sichergestellt werden, dass Teilhabeleistungen zur Absolvierung schulischer oder hochschulischer Bildungsmaßnahmen einschließlich vorbereitender oder begleitender Grundausbildungen generell von der BA oder den Rentenversicherungsträgern finanziert werden.