„Sichtweisen“-Podcast

Hier finden Sie den Podcast des DBSV-Verbandsmagazins „Sichtweisen“, der aus zwei Reihen besteht:

  • Für „Leseprobe“ wählen wir aus jeder Ausgabe einen Beitrag aus und stellen ihn hier zur Verfügung - zum Reinhören und Reinlesen!
  • In der Hör-Reihe „Präsidiumsgespräch“ beleuchten DBSV-Präsidiumsmitglieder mit Gästen aktuelle Themen, die den Verband beschäftigen.

Spezialfolge zum Louis Braille Festival

Präsidiumsgespräch

Leseprobe

Rufus Beck steht auf einer Bühne und legt beim Reden beide Hände aneinander. Er trägt ein dunkles T-Shirt und eine runde Brille. Sein dichtes Haar und sein Bart sind grau.

Die Geschichte im Kopf

Aus den „Sichtweisen“, Ausgabe 04/24

Der Schauspieler Rufus Beck, auch bekannt als Hörspiel- und Hörbuchsprecher, las beim Louis Braille Festival in Stuttgart aus „Bummel durch Europa“ von Mark Twain. Im Interview verrät er, was ihm hilft, sich auf einen Auftritt vorzubereiten und was das mit Extremsport zu tun hat. Ob auf der Bühne oder beim Sport: Mit Stress und Adrenalin müsse man umgehen können, sagt der Künstler.

Interview: Leonie Koll

Herr Beck, wie geht es Ihnen kurz vor Ihrem Auftritt?

Oh, ich hatte einen stressigen Tag. Mein iPad ist in der S-Bahn verlorengegangen. Normalerweise nutze ich es bei Auftritten für den Text. Jetzt musste ich mir den Text besorgen und ausdrucken, während ich mit der Bahn hergekommen bin. Und nachher geht es mit dem Flugzeug nach Hamburg, das muss auch alles klappen. Reisen ist für mich anstrengend, aufzutreten ist dann Entspannung und Spaß pur.

Was machen Sie normalerweise vor einem Auftritt? Was ist Ihre Routine?

Interviews direkt vor einem Auftritt sind normal. Und meine Routine fängt eigentlich am Morgen an. Ich packe meine Sachen, gucke nochmal alles durch, visualisiere die Geschichte nochmal im Kopf und sage mir: Das ist gut geprobt.

Neu ist immer nur das Publikum. Ich habe zum Beispiel noch nie vor einem blinden oder sehbehinderten Publikum agiert. Ich arbeite viel mit meinem Körper auf der Bühne. Deshalb ist die Vorstellung, dass das eine geringere Rolle spielen wird, merkwürdig für mich. Es wird eine neue Erfahrung sein. Direkt vor einem Auftritt, in der letzten Viertelstunde, bin ich in meiner Garderobe, laufe herum, atme und entspanne mich.

Müssen Sie Ihre Stimme auf eine bestimmte Art und Weise vorbereiten?

Das brauche ich nicht, nein, ich habe eine sehr gesunde Stimme. Auch wenn ich mal erkältet bin, wird sie selten heiser. Ich will jetzt nichts beschreien – es könnte passieren, dass ich mal heiser werde, weil Sie jetzt gefragt haben (lacht). Nein, nein, ich habe eine gesunde Stimme.

Sie erfreuen sich einer großen Beliebtheit in der Blinden- und Sehbehinderten-Community. Haben Sie persönlich Kontakt zu blinden Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung?

Nein, ich habe tatsächlich noch nie mit einem blinden Menschen zu tun gehabt. Mit gehörlosen Menschen ja, aber mit blinden Menschen noch nie.

Könnten Sie sich vorstellen, dass der Kontakt Ihren Blick auf die eigene Kunst verändern wird?

Wenn ich jetzt jemanden im persönlichen Kreis hätte, einen Freund, einen Künstler, Musiker oder so, würde das etwas verändern. Man muss ja ein bisschen achtsamer sein. Ich kann jemandem nicht sofort auf die Schulter hauen, wenn ich körperliche Nähe herstellen will. Und ich hätte viele Fragen, wenn ich mal einen blinden Menschen interviewen dürfte. Es gibt ja Menschen, die von Geburt an blind sind, und diejenigen, die später erblindet sind. Dazu hätte ich viele Fragen.

Was würden Sie fragen?

Ich glaube, wer später im Leben erblindet, weiß, was er mal gesehen hat. Er weiß also etwas über einen Verlust. Wer blind geboren ist, weiß nicht von einem Verlust, sondern muss einfach nur lernen. So stelle ich es mir jedenfalls vor.

In Ihrem Beruf geht es viel darum sich vorzustellen, was Sie nicht sehen oder vielleicht auch noch nie gesehen haben.

Ja, da geht es um Visualisierung. Das ist wie beim Sport – man stellt sich vor, wie man es machen würde. Das Gehirn unterscheidet erst einmal nicht, ob ich es wirklich mache oder es mir nur vorstelle. Je stärker ich es mir vorstelle, desto stärker ist der körperliche Anreiz. So ist es auch bei einer Rolle: Ich visualisiere mir die Szene.

Worum geht es in „Bummel durch Europa“, der Geschichte, die Sie beim Louis Braille Festival vorlesen?

Mark Twain hat von Reisen und Begegnungen mit Menschen geschrieben. In meiner Lesung geht es um die schreckliche deutsche Sprache und um das französische Duell. Das hat Mark Twain so natürlich nicht erlebt, aber er hat sich beeinflussen lassen. Seine Eindrücke hat er in humoristischen Glossen verpackt.

Was hilft Ihnen dabei, sich in eine Geschichte hineinzuversetzen?

Ich weiß, wie ein Witz entsteht. Ich weiß, wie man einen Witz gestaltet, wie man eine Pause setzt. Ich weiß einfach, wie das klingen muss. Ich muss mir da keine Gedanken machen. Das ist ein Talent, das ich habe. Darauf könnte ich mich ausruhen, aber ich habe Gott sei Dank genug Arbeit, sodass ich nicht in Gefahr gerate, faul zu werden.

Welches Ihrer Hörstücke möchten Sie der Blinden- und Sehbehinderten-Community empfehlen?

Ich weiß nicht, welche Stücke bereits bekannt sind. Aber eine besondere Produktion war das Hörspiel zu „Der Meteoritenlöffel“ von Philip Ridley. Ich habe die Rechte daran gekauft, bin mit Musikern ins Studio gegangen und habe alle Figuren einzeln aufgenommen. Das Stück hat eine wahnsinnig schöne Musik. Es ist eine ganz tolle, berührende Geschichte, und ich bin sehr stolz darauf, wie ich das gemacht habe.

Worauf haben Sie Lust in den nächsten Jahren Ihres Berufslebens?

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem es beruflich für mich etwas ruhiger geworden ist als früher. Ich würde gerne wieder ein bisschen mehr drehen. Gerade stehe ich in Ungarn vor der Kamera, darüber darf ich jetzt bloß noch nicht reden. Im Herbst werde ich wieder mit einem schönen Theaterstück auf Tournee gehen. Und ich könnte mal wieder mehr Musik machen! Ich bin immer noch sehr gerne Künstler.

Ich habe auch viele sportliche Pläne: Ich will segeln, Gleitschirm fliegen und andere Extremsportarten ausprobieren. Dabei muss man sehr fokussiert sein, das genieße ich. Es gibt nur das Jetzt. Sonst kann es sehr wehtun oder sogar tödlich sein.

Das klingt aufregend – und gefährlich.

Ja, man muss der Typ dafür sein. Man muss wissen, wie man mit diesem Stress und Adrenalin umgeht. Gewissermaßen ist das ja auch ein Teil meines Berufes.

Wie gehen Sie damit um?

Beim Sport bin ich immer aufgeregt, und in Extremsituationen funktioniere ich einfach. Im Vorhinein hilft mir die Visualisierung. Ich stelle mir vor, was passieren könnte und bin dann vorbereitet.

 

Mark Twain: Bummel durch Europa – Deutschland
Gelesen von Rufus Beck
Der Hörverlag, München 2005
Gesamtspielzeit: ca. 4:30 Stunden

Philip Ridley: Der Meteoritenlöffel
Übersetzung von Sigrid Ruschmeier
Gelesen von Rufus Beck
Carlsen-Verlag, Hamburg 2008
Gesamtspielzeit: ca. 2:30 Stunden

Das Hörbuch „Bummel durch Deutschland“ von Mark Twain ist auch in verschiedenen Hörbüchereien verfügbar, gelesen von Johannes Farr.

Lust auf mehr?

Das Louis Braille Festival ist ein großes Fest der Begegnung von sehbehinderten, blinden und sehenden Menschen. Der DBSV veranstaltet es mit Partnerorganisationen alle paar Jahre jeweils in einer anderen Stadt. In diesem Jahr war es Anfang Mai in Stuttgart. Wer mehr über die vielen Mitmach-Aktionen, Workshops und Bühnenprogramme des Festivals erfahren möchte, hört oder sieht am besten in die Sichtweisen Juli hinein. Das Louis Braille Festival ist in allen Rubriken ein Thema, denn: Es war ein großartiges Festival!

Sichtweisen auf DBSV-Inform Online

Sie können die Sichtweisen-Beiträge auch online aufrufen und hören: Unter www.dbsv-inform.org stehen sie ebenso zur Verfügung wie die Hörbeiträge vieler Landesvereine des DBSV.

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